Interview mit Hannah Ebert, Senior Software Engineer
Wir durften Hannah Ebert, Senior Software Engineer und Full Stack Entwicklerin bei adesso, zum Thema Inklusion in der Tech-Branche interviewen.
Laut der Stack Overflow Developer Survey 2022 gehört sie somit zu den 5,68 % „Gender Minorities“ der Entwickler*innen in Deutschland. Die Studie folgert „Wir haben noch viel zu tun, um sicherzustellen, dass unsere Plattform alle einbezieht und dass unsere Umfrage repräsentativ für alle Entwickler*innen ist.“ Also, wie fangen wir an, die Tech-Branche inklusiv zu gestalten?
Hannah war Referentin bei der Vortragsreihe Dev & Donuts. Nach ihrem Vortrag zum Thema Cypress und Jest kamen wir ins Gespräch über Inklusion in der Tech-Branche (gemeinsam mit den Teilnehmer*innen, die immerhin zu 11 % nicht männlich waren). Mit diesem Beitrag möchten wir Hannahs Perspektive teilen und am Diskurs teilnehmen. Denn es gibt wirklich viel zu tun.
Hannah hat in Erlangen Medizintechnik mit einem Schwerpunkt auf Bild & Signalverarbeitung studiert. Der Weg in die IT selbst war dabei eher Zufall und alles andere als gerade. Die Tatsache, dass Kolleg*innen aus ihrem Umfeld Verantwortung für Inklusion in der Tech-Branche übernommen haben, hat sie dabei nachhaltig inspiriert. Wir haben Hannah gefragt, welche Themen für sie in einem inklusiven Arbeitsverhältnis wichtig sind:
Welche Werte und Policies in deinem Arbeitsverhältnis unterstützen das Gefühl der Inklusion und Gleichberechtigung?
Adesso hat aufgrund eines hohen Wachstums das Konzept „oneadesso“ eingeführt. Damit wollen wir zeigen, dass wir trotz verschiedener Bereiche und Ländereinheiten immer noch ein Unternehmen sind und einander respektieren und schätzen. In Bezug auf Inklusion und Vielfalt hat auch das Thema Unternehmenswachstum eine wesentliche Rolle gespielt, da wir uns zunehmend mit den verschiedenen Dimensionen der Vielfalt befassen. Intern haben wir Sensibilisierungsschulungen, Mentoring-Programme, interne Communities, eine breite Auswahl an Benefits und Kolleg:innen in der Personalabteilung, die sich mit diesem Bereich aus strategischer Sicht befassen.
Glaubst du, dass von dir mehr erwartet wird als von deinen männlichen Kollegen?
Wenn du in einem großen Hörsaal mit hunderten Leuten sitzt, davon sind zwei Frauen, dann weiß jeder, wenn sie eine kluge oder dumme Antwort gegeben haben. Ich glaube, dass wenn man nicht zur Mehrheit in einen Raum gehört, dass dann automatisch der Fokus stärker auf einem liegt. Und das heißt, auf Fehlern – aber auch auf Erfolgen. Mir ist es deshalb wichtig eine Mitverantwortung für Inklusion zu übernehmen. Mein Fokus liegt dabei oft darauf, den Frauenanteil in der IT zu erhöhen, bzw. junge Kolleginnen zu unterstützen und ein Netzwerk aufzubauen. Dabei ist mir jedoch wichtig, dass das Thema weit über binäre Geschlechterrollen hinausreicht. Dafür ist es notwendig, dass das Thema von Firmen selbst unterstütz wird. Die Welt ist im Wandel und Denkweisen müssen neu ausgerichtet werden. Der Fokus und die Verantwortung für Inklusion müssen sich verteilen, damit langfristig alle die gleichen Voraussetzungen haben. Dafür braucht man Menschen, die sich mit der Gesamtheit von Diversität und Inklusion beschäftigen.
Hast du schonmal unter dem Imposter-Syndrom gelitten?
Ja, das ist oft auch mein Antrieb. Das Gefühl, dass ich nicht genug kann, nicht genug mache und mich in so vielen Feldern verbessern muss, kenne ich sehr, sehr gut. Ich liebe meinen Job und ich mache ihn auch (meistens) gut. Ich glaube es ist aber auch sehr wichtig zu akzeptieren, dass man auch nicht immer alles gut können muss. Mittlerweile nutze ich dieses Gefühl, um mich zu verbessern, wo es besonders weh tut. Das tue ich, zum Beispiel indem ich Vorträge auf Konferenzen halte.
Wie hast du das nötige Selbstvertrauen in deine Fähigkeiten aufgebaut?
Ich habe zwei Wege gefunden das zu schaffen. Zum einen fordere ich mich gerne selbst heraus und versuche aus meiner Komfortzone herauszutreten. Ich halte Vorträge, ich versuche mich kontinuierlich weiterzubilden und habe dieses Jahr meine Ausbildung zur Softwarearchitektin angefangen. Ab September werde ich zusammen mit meinem Chef das erste Mal Azubis ausbilden. Das Feedback von außen ist dabei für mich unerlässlich. Das Lob einer Person, deren Arbeit man wirklich schätzt motiviert mich nachhaltig. Solche Momente sind Gold wert.
Müssen sich Führungskräfte zum Thema Gleichberechtigung sensibilisieren?
Es gibt dazu eine schöne Grafik (Equality vs. Equity): Ein großer Mann, eine etwas kleinere Frau und jemand im Rollstuhl versuchen über eine Mauer zu schauen. Jeder hat einen kleinen Hocker, der aber nur dazu ausreicht, dass der Mann komfortabel über die Mauer schauen kann.
Was ich damit in Bezug auf Führungskräfte sagen will: Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse, manche brauchen mehr und manche weniger Unterstützung. Das Ideal einer Führungskraft behält im Blick, dass alle ihr volles Potenzial entfalten können.
Aber nicht nur Führungskräfte, sondern wir alle sollten mindestens einmal in unserer beruflichen Laufbahn die Gelegenheit erhalten, unsere eigenen Privilegien zu verstehen und zu lernen, wie diese zur Förderung von Gleichberechtigung und Inklusion genutzt werden können. Im Falle von Führungskräften gibt es jedoch immer die Komponente der Entscheidungsfindung, und genau deshalb sind diese Themen besonders wichtig, wenn wir das Thema Führung innovativ und relevant halten wollen. Es sind einfühlsame Führungskräfte mit einer offenen Denkweise, denen es gelingt, mit den Bedürfnissen ihrer Teams Schritt zu halten und zu großen Vorbildern für ihre Teammitglieder zu werden.
Liebe Hannah, wir danken dir, dass du dir die Zeit für das Gespräch genommen und uns diese wertvollen Einblicke in dein Leben als Frau in der IT-Branche gegeben hast. Der Diskurs geht weiter und wir wollen weiter lernen, wie wir die Verantwortung für ein inklusives Arbeitsverhältnis übernehmen können.